Als Teilnehmer am Europäischen Kulturerbejahr „Sharing Heritage“ 2018 stellten sich die Stadtentdecker des Kunstkurses 11.Klasse am Leibniz-Gymnasium Potsdam zusammen mit Projektbegleiter Alexander Paul der Auseinandersetzung mit dem Alten Markt und seinem Umfeld. Mit der Auswahl dieses Themas, welches 30 Jahre lang im Fokus der Öffentlichkeit stand, war auch die Notwendigkeit für die Schüler verbunden, sich mit der Entstehungsgeschichte der das Stadtzentrum prägenden Gebäude im Unterricht intensiver auseinanderzusetzen. So geriet das ohnehin im Lehrplan anstehende Thema Baugeschichte im Stadtspaziergang zum Unterricht an Ort und Stelle, wo die Schüler unterschiedliche Herangehensweisen des Umgangs mit dem kulturellen Erbe von originalgetreuer, kritischer oder post-moderner Rekonstruktion kennenlernen konnten. So wie die Tatsache, dass es sich bei den Potsdamer Denkmälern meist nicht um barocke Originale, sondern um Kopien der italienischen Renaissance handelt. Auch der unterschiedliche Umgang der Stadtplaner mit dem Stadtraum durch die Epochen traf auf großes Interesse.
Für die anschließende Arbeitsphase im regulären Kunstunterricht beeindruckte die Bandbreite sowohl der von den Schülern selbst getroffenen Auswahl der Orte als auch die verschiedenen Herangehensweisen. Allen Arbeiten gemein ist ein pragmatischer, nachhaltiger Umgang mit vorhandener Gebäudesubstanz und der Anspruch, neue, eigene stadträumliche Qualitäten zu schaffen, wobei die Schüler/innen einer sensiblen Nachverdichtung des Potsdamer Zentrums mit sich gut einfügenden historischen Baustilen durchaus aufgeschlossen gegenüber stehen.
Auf dem Rechenzentrum-Areal lockern zwei Schülerinnen den Stadtraum zwischen rekonstruierter Garnisonkirche und Plantage mit einem Wohnpalais auf – eine bürgerliche Intervention mit natürlich hohen Qualitäten für die Bewohner, die dem schwierigen Thema Garnisonkirche gut tun könnte. Ein anderes Team entschied sich an dieser Stelle für den Erhalt der Lehrgebäude und ergänzte den neu entstehenden, grünen Campus mit einem ebenfalls palaisartigen, multifunktionalen Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Feuerwache. Die bereits abgerissene Fachhochschule wurde einmal in dekonstruktivistischer Manier teilweise aufgebrochen und als Hotel erhalten, in einem weiteren Vorschlag durch einen postmodern anmutenden Neubau mit vielen Flächen für Künstler und einem erhöhten, überdachtem Park ersetzt. Der Staudenhof-Plattenbau soll mit einer begrünten, massiven Holzfassade saniert werden und die Stirnseiten verglast werden – ein durch und durch nachhaltiger Vorschlag.
Der kürzlich umgestaltete Lustgarten vermochte die Schüler beim Stadtspaziergang nicht zu überzeugen, so dass sich zwei Arbeiten mit diesen Bereich beschäftigten. Ein Vorschlag ergänzt eine Freilichtbühne, Sportplätze und eine Baumgruppe, ein weiterer Vorschlag setzt einen neuen baulichen Akzent mit einer halb geöffneten Renaissance-Kuppel, die durch die Baumkronen eines Waldes vollendet wird und der einen Raum des Rückzugs, der Stille und der ungezähmten Natur mitten in der Stadt anbietet. Für das ungeliebte Mercure-Hotel gelingt zwei Schülerinnen noch das Kunststück, das Gebäude je nach Blickwinkel als Renaissance-Palast zu inszenieren und es gleichzeitig völlig verschwinden zu lassen. Das Modell kann sowohl als ironischer Kommentar zur aktuellen Baupolitik als auch als ernstgemeinter Ansatz zur Versöhnung der völlig gegensätzlichen Positionen der Stadtgesellschaft gelesen werden.
Bei der öffentlichen Präsentation und anschließendem Stadtentdeckergespräch mit Infrastrukturministerin Kathrin Schneider und Kammerpräsident Christian Keller im Bildungsforum überzeugten die Schüler mit ihrer Vorstellung multifunktionaler Nutzungskonzeptionen mit Raum auch für Künstler, Studenten und die gesamte Stadtgesellschaft sowie begeisterndem Engagement mit dem Thema nachhaltiges Bauen.
Beitrag erschienen im Deutschen Architektenblatt 12/2018, Regional Brandenburg